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Zusammenfassung aus dem ENTSO-E Zwischenbericht vom 3.10.2025
Stromausfall Iberische Halbinsel 28-4-2025
Alle Angaben erfolgen ohne Gewähr auf Vollständigkeit oder Richtigkeit. Die Zusammenfassung wurde auf Grundlage des Zwischenberichts der ENTSO-E vom 03.10.2025 erstellt und enthält Grafiken aus diesem Bericht.
Unsere Zusammenfassung aus dem ENTSO-E Zwischenbericht vom 3. Oktober 2025
Der weitreichende Stromausfall, der am 28. April 2025 um 12:33 Uhr MESZ Spanien und Portugal betraf, war der schwerwiegendste Vorfall im europäischen Verbundnetz seit über 20 Jahren. Dieser Vorfall wurde als „Scale 3“ klassifiziert, die höchste Kategorie der Incident Classification Scale (ICS).
Alle nachfolgenden Zeitangaben sind in MESZ (Mitteleuropäische Sommerzeit) angegeben.
1. Vorgeschichte: Instabiles Netz und Oszillationen
Schon vor dem Blackout befand sich das Netz in einem angespannten Zustand, da die hohe Einspeisung aus erneuerbaren Energien – bedingt durch die Art der verwendeten Wechselrichter – zu einem zunehmend instabilen System führte
(siehe hierzu auch unsere Informationen zur Störung).
2. Chronologie des Blackouts: Spannungsanstieg und Kettenreaktion
Die kritischen Oszillationen verschärften die Netzinstabilität, bis eine Kaskade von Ereignissen zum vollständigen Zusammenbruch führte:
Vor dem Vorfall (bis 12:32 Uhr)
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Vormittag: Starke Zunahme der Einspeisung erneuerbarer Energien in Spanien führt zu sinkenden Preisen am Spotmarkt und Exporten von bis zu 5 GW.
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Ab 09:00 Uhr: Die Spannung im spanischen 400-kV-Übertragungsnetz beginnt zu schwanken, bleibt jedoch unter dem kritischen Wert von 435 kV.
Netzpendelungen als Warnsignal:
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12:03 - 12:08 Uhr: Eine erste lokale Oszillation (Netzschwingung) tritt im spanischen und portugiesischen Netz mit einer Frequenz von 0,63 Hz auf.
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12:19 - 12:22 Uhr: Eine zweite, überregionale Schwingung mit 0,21 Hz betrifft das gesamte kontinentaleuropäische Netz. Zur Dämpfung werden Maßnahmen ergriffen, wie die Reduzierung der Spanien-Frankreich-Exporte, was jedoch die Spannung im iberischen Netz erhöht.

Bild : Heatmap der Phasenlage um 12:00 mit Messreferenzpunkt (Quelle: PMU),
Quelle: ENTSO-E (Quelle: ENTSO-E, entso-e_incident_report_ES-PT_April_2025_06.pdf)
Die Heatmap zeigen die Phasenlage zwischen verschiedenen Orten in Spanien und Portugal. Als Referenzpunkt dient dabei eine PMU im Südosten der Verbindung zwischen Spanien und Frankreich (in der Abbildung als „REF“ gekennzeichnet). Es ist zu erkennen, dass die maximale Winkeldifferenz im südwestlichen Teil Spaniens liegt.
Dort ist der Ursprung der Störung zu verorten.
Eine PMU (Phasor Measurement Unit) ist ein hochpräzises Messgerät, das Phasenwinkel von Spannung und Strom im Stromverbundnetz erfasst.
Gegenmaßnahmen (beispielhafter Auszug aus dem Bericht)

Bild : Characteristics data of the second oscillations and increasing voltage (source: WAMS 100 ms sampling rate at the 400 kV Carmona substation) and countermeasures,
Quelle: ENTSO-E (entso-e_incident_report_ES-PT_April_2025_06.pdf)
Die Grafik aus dem offiziellen Zwischenbericht veranschaulicht in einer kombinierten Darstellung, wie die beiden großen Schwingungen die Netzbetreiber veranlassten, Gegenmaßnahmen einzuleiten. Diese Maßnahmen sind auf der Zeitachse direkt mit den Schwingungen korreliert und zeigen die komplexe Dynamik der Netzstabilisierung in einer kritischen Phase.
Obwohl die netzstabilisierenden Maßnahmen orchestriert und ausgeführt wurden, ist das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten auf das Gesamtverhalten äußerst komplex. Dies verdeutlicht die Schwierigkeit, ein dynamisches System, das aus dem Tritt gerät, wieder zu stabilisieren.
Ein Beispiel aus der Grafik:
Morata 400 REA4 => Umspannwerk Morata, 400kV -Ebene, Reaktanz 4
(schaltbare Kompensationsspule oder auch Ladestromspule. Sie wird in Stromnetzen eingesetzt, um die Blindleistung und damit die Spannung zu regeln.)
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12:24 Abschaltung Morata 400 REA4
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12:28 Zuschaltung Morata 400 REA4
Kompensationsspule (Ladestromspule )
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Funktion: Eine Kompensationsspule (Ladestromspule) nimmt induktive Blindleistung auf. Durch Zuschalten dieser Spulen wird die überschüssige kapazitive Blindleistung der Leitung ausgeglichen. Dies führt zu einer Reduzierung der Spannung und hilft, das Netz zu stabilisieren und eine Überspannung zu verhindern.
Beginn der Störung (12:32 Uhr)
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12:32:00 Uhr: Der offizielle Beginn der Störung.
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12:32:00 - 12:32:57 Uhr: Kleinere, dezentrale Wind- und Solaranlagen im Wert von 208 MW fallen aus. Gleichzeitig steigt die Netzauslastung um 317 MW, möglicherweise durch den Ausfall kleinerer dezentraler Anlagen. Die Gründe für diese Ausfälle sind unklar.
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12:32:57 Uhr: Ein 400/220-kV-Transformator in Granada, der 355 MW einspeist, schaltet sich aufgrund einer Überspannungsschutzvorrichtung auf der 220-kV-Seite ab. Dies ist der erste große Ausfall.
Schutzabschaltungen und Kettenreaktion (12:33 Uhr)
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12:33:16.460 Uhr: Eine Abführleitung in Badajoz fällt aus, was zum Verlust von rund 725 MW an PV- und Thermo-Solar-Anlagen führt.
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12:33:16.820 Uhr: Eine weitere Abführleitung fällt aus, was zu einem zusätzlichen Verlust von 725 MW führt. Die Gründe sind unbekannt.
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12:33:17 - 12:33:18.020 Uhr: Weitere Abschaltungen in Segovia, Huelva, Badajoz, Sevilla und Cáceres verursachen den Ausfall von weiteren 930 MW Wind- und Solarenergie. Einige dieser Ausfälle werden durch Überspannung verursacht, die meisten jedoch aus unbekannten Gründen.
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12:33:18 - 12:33:21 Uhr: Die Spannung im südlichen Spanien und in Portugal steigt stark an, da der Ausfall von Erzeugungseinheiten, die Blindleistung verbrauchen, nicht ausgeglichen werden kann. Dies führt zu einer Kaskade weiterer Ausfälle.
Netzabtrennung und Blackout (12:33:19 Uhr)
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12:33:19 Uhr: Das spanische und portugiesische Stromnetz verliert die Synchronisation mit dem restlichen europäischen Verbundsystem, was zum Blackout führt.
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Automatische Schutzmechanismen trennten das iberische Netz um 12:33:19 Uhr vom europäischen Verbundnetz. Zuerst fielen die Wechselstrom-Verbindungen zu Marokko und Frankreich aus, gefolgt von der HVDC-Verbindung um 12:33:23 Uhr. Dies führte zum vollständigen Blackout in beiden Ländern.
3. Wiederherstellung des Netzes
Sofort nach dem Ausfall aktivierten die Netzbetreiber ihre Notfallpläne. Die Wiederherstellung basierte auf einem kombinierten Ansatz:
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"Top-down"-Ansatz: Externe Unterstützung wurde aus Frankreich und Marokko angefordert, um das Netz aus der Peripherie mit Spannung zu versorgen.
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"Bottom-up"-Ansatz: Gleichzeitig wurden interne, schwarzstart-fähige Kraftwerke (vorwiegend Wasserkraftwerke) aktiviert, die ohne externe Stromversorgung anlaufen können. Mit diesen Anlagen wurden „elektrische Inseln“ aufgebaut und schrittweise mit dem Hauptnetz synchronisiert.
Die Wiederherstellung des portugiesischen Übertragungsnetzes war am 29. April 2025 um 00:22 Uhr abgeschlossen. Das spanische Netz folgte um 4:00 Uhr am selben Tag.
Zusammenfassung:
Der Ausfall am 28. April 2025 war eine Kette unglücklicher Ereignisse: Zuerst sorgten lokale und (über)regionale Netzpendelungen für eine instabile Lage. Dann führte ein plötzlicher Spannungsanstieg zu einem massiven Ausfall von Kraftwerken, was eine Kettenreaktion auslöste. Das betroffene Netzgebiet konnte das entstandene Erzeugungs- Ungleichgewicht nicht mehr ausgleichen, was zu einem Frequenzabfall und schließlich zur automatischen Trennung des iberischen Netzes vom restlichen Europa führte.
Die Folge war ein weitreichender Blackout auf der Iberischen Halbinsel.
Grundsätzlich bestätigt der offizielle Zwischenbericht unsere Hypothese zur Störung.
rechtliche Hinweise für den Link hier:
Link : PDF-Datei ENTSO-E Zwischenbericht vom 3.10.2025
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